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Back to the stones

  • Autorenbild: chiarasue
    chiarasue
  • 7. Nov. 2021
  • 4 Min. Lesezeit

Heute bin ich zu dem Schluss gekommen, dass ich eine echt schlechte Neandertalerin gewesen wäre. Nein, ehrlich. Die Steinzeit wäre definitiv nicht meine Zeit gewesen. (Anekdote am Rande: In der Schule haben wir einmal ein Spiel gespielt, bei dem jemand die Frage beantworten musste, in welche Zeit ich am besten passen würde. Die Antwort der Schülerin war: die Zukunft. Daran hätte ich gar nicht gedacht. Ich meine, ich hoffe natürlich, dass ich die Erde noch einige Jahre mit meiner Anwesenheit beglücken kann, aber ich wäre nie auf die Idee gekommen, dass ich gut in die Zukunft passen würde. Das wäre dann schon eher was für... Technikbegabte oder so... keine Ahnung. Aber die Frage finde ich spannend: In welche Zeit passt du am besten? Ich hätte mich ja geradewegs in einem atemberaubenden Ballkleid hinter einen neuzeitlichen Prinzen aufs Pferd gesetzt... ;))

Jetzt bin ich doch etwas länger abgeschweift. Also, was ich eigentlich sagen wollte: Die Steinzeit wäre nichts für mich. Vermutlich für die wenigsten. Den ganzen Tag nackt in der Wildnis hocken, gegen Steine schlagen und frieren sind wohl in den wenigsten Tagträumen inkludiert. Obwohl es den Menschen (oder ihren Vorgängern) damals sicher nicht schlecht gegangen ist. Die modernen Sorgen und Ängste der Menschheit lagen damals noch in weiter Ferne.


Steuererklärung? Noch nie gehört. Burn out? Das nicht, aber Feuersteine habe ich. Digitalisierung? Mein Kumpel Humham hat letztens einen Doppelspeer erfunden.


Damals waren die Prioritäten simpel: Überleben. Fortpflanzen war vermutlich auch ein Ziel. Aber Karriere? Reichtum? Berühmtheit? Keine Spur von machthungrigen Multimilliardären in der Steinzeit, da bin ich mir sicher. Was mich aber ganz besonders an der Steinzeit verunsichert, ist, dass man so überhaupt keine Kontrolle hat. Über nichts. Es könnte jederzeit ein Vulkan ausbrechen und dich unter Lava begraben und du hättest keine Chance. Ein Säbelzahntiger könnte dir seit Stunden auflauern und du hättest nicht den blassesten Schimmer, dass du heute ein Mittagessen sein wirst.


Und dann habe ich begriffen, dass es heute nicht anders ist. Es ist zwar sehr unwahrscheinlich, dass ich mein Leben als Mittagessen beenden werde (ganz ausschließen kann man es jetzt auch nicht), aber genauso gut könnte mich ein Auto überfahren. Oder eine Kokosnuss vom Himmel fallen. Oder ein Meteorit auf die Erde stürzen und uns alle auslöschen.


Genauso wenig habe ich in der Hand, was morgen passieren wird. Oder in einem Jahr. Ich kann planen, so viel ich will. Ob alles so funktioniert, wie ich mir das vorstelle, entzieht sich meiner Kontrolle, egal wie sehr ich mir auch das Gegenteil wünsche. Seit der Steinzeit hat sich im Prinzip nur geändert, dass wir gelernt haben, uns vorzuspielen, dass wir die Kontrolle haben. Und ein paar Erfindungen sind auch dazugekommen. Davon abgesehen sind wir aber noch immer genauso machtlos wie in der Steinzeit.


Halt, Moment! Was heißt in diesem Fall machtlos? Mit Macht verfolgt man doch immer ein bestimmtes Ziel und wenn dieses nicht ausgerechnet das Streben nach Kontrolle ist, haben wir sehr wohl Macht. Ziemlich viel Macht sogar. Wir haben zum Beispiel die Macht, glücklich zu sein. Einfach so. Und diese Macht kann uns niemand nehmen, sie gehört uns ganz allein. Und das seit der Steinzeit.


Der Mensch hat zwar Wege gefunden, diese Macht an andere zu verleihen und zu verlieren, doch er kann sie jederzeit zurückholen. Denn wirksam ist sie im Endeffekt nur, wenn sie durch uns läuft. Das sollten wir vielleicht nicht vergessen. Also haben wir möglicherweise doch etwas Kontrolle. Wir können unser Glück kontrollieren. Damit meine ich nicht die äußeren Umstände wie unseren Besitz oder unsere Beziehungen, sondern die reine Emotion.


Der Mensch ist schon etwas paradox, findet ihr nicht? Da hat er seit Jahrtausenden die Kontrolle über sein eigenes Glück, scheint das aber nicht zu verstehen oder wertzuschätzen und täuscht sich in die Vorstellung, er müsste etwas anderes kontrollieren, um glücklich sein zu können. Ich weiß, ich tendiere manchmal dazu, Sachen zu verkomplizieren, aber ich glaube, ich kann nichts dafür. Das liegt in meinem Genom. Meiner Spezies liegt es im Blut.


Dennoch wäre ich kein guter Steinzeitmensch. Stellt euch mal vor, wie schwer es wäre, ein Buch durch die Gegend zu tragen, wenn man nur auf Felsen schreiben kann. Jede Seite ein Stein. Und dann wirft man alle in einen Beutel aus Büffelmagen, spannt sie auf sein Mammut und nimmt es mit. Irgendwann bräuchte ich dann eine ganze Herde von Mammuts, die ich alle zum Schleppen ausbeuten würde. Nein, nein, das war definitiv nicht meine Zeit.


Trotzdem kann ich viel von der Steinzeit lernen, würde ich behaupten. Die Umstände sind nämlich ziemlich ähnlich. Anstatt des Säbelzahntigers sind es nur meine eigenen Ängste und Zweifel, die mich langsam auffressen. Burn-out ist also quasi lediglich eine moderne Form des Mittagessens-sein. Erzählt das bitte niemandem. Ich habe die Befürchtung, ich treibe es manchmal etwas zu weit mit meinen Vergleichen. Aber ihr müsst mir verzeihen, ich habe Hunger und wenn ich Hunger habe, komme ich auf dumme Ideen. Und denke viel an Essen. Schlechte Mischung.


Na ja, dann hätten wir das ja jetzt geklärt. Ich warte unterdessen hier auf meinen Prinzen, der hoffentlich etwas zu essen dabeihat und verteidige mich gegen meinen inneren Säbelzahntiger. Vielleicht kann ich ihn ja zähmen und zu meinem Haustier machen. Säbelzahntigerfell ist sicher schrecklich weich…


Und was wünsche ich euch? Erstens einmal einen schönen Sonntag und dann noch eine schöne Woche und wenn ihr etwas Zeit übrig habt, könnt ihr ja überlegen, wie ihr euch als Steinzeitmensch so machen würdet. Oder in welche Zeit ihr am ehesten passt. Schreibt es gerne in die Kommentare, das würde mich wirklich interessieren!


Bis dann ;)


Ach ja und PS: Heute hat meine Lieblingscousine und noch dazu Firmpatenkind Geburtstag! Also wünscht ihr bitte von Herzen alle ganz viel Freude für diesen Tag! Alles Gute, Marienkäferchen ;)




 
 
 

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