Das Aufstehen
- chiarasue
- 20. März 2022
- 3 Min. Lesezeit
Hallo alle miteinander!
Was geht ab? Okay, nein, egal mit welcher Betonung ich diesen Satz lese, er hört sich nicht weniger lächerlich an. Also nochmal: Wie geht’s? Schon besser. Letzte Woche habe ich euch ja im Ungewissen gelassen, worüber ich eigentlich geschrieben habe. Habt ihr es herausgefunden? Oder eine Idee? Grundsätzlich gibt es ja keine richtige oder falsche Antwort. Natürlich habe ich an etwas Bestimmtes gedacht, doch das heißt nicht, dass man nicht auch etwas anderes herauslesen könnte. Wir sagen mit unseren Worten meistens mehr, als uns bewusst ist.
Auf jeden Fall werde ich euch heute mitteilen, was meine Gedanken waren. Falls ihr euch nicht mehr daran erinnern könnt, was ich letzte Woche geschrieben habe, wäre es vielleicht keine schlechte Idee, nochmal kurz zurückzuhüpfen und den Text „Der Fall“ erneut durchzulesen. Dann könnt ihr alles, was ich jetzt schreibe, besser zuordnen.
Also die große Auflösung: Ich habe über ein Gefühl geschrieben, das wie ein Dämpfer wirkt. Plötzlich erscheint alles in einen tristen Schleier getaucht, der uns das Atmen erschwert. Eine Bremse, die uns allen Wind aus den Segeln nimmt. Aber genug der Rätsel. Ich spreche von…der Enttäuschung.
Ich bin mir sicher: Jedem von euch ist dieses Gefühl bekannt. Dieses schmerzhafte Bewusstwerden, dass etwas, worauf wir uns freuen, nicht eintreten wird. Die Enttäuschung ist aus meiner Sicht ein sehr mächtiges Gefühl, das große Auswirkungen auf unsere Persönlichkeit haben kann. Im Text habe ich erwähnt, dass es Menschen gibt, denen die Enttäuschung so oft einen Besuch abgestattet hat, dass sie sich keine Vorfreude mehr erlauben, um dem Schmerz zu entgehen. Mit diesem Phänomen habe ich mich bereits in meinem ersten Buch „Die sieben Gezeichneten“ intensiv beschäftigt.
Es ist ein natürlicher Schutzmechanismus des Menschen, sich vor Schmerzen schützen zu wollen. Wenn die einzige Möglichkeit, unsere Psyche zu schützen, ist, die Freude auszusperren, wird diese ergriffen. So schließen wir nicht nur die positiven, sondern auch die negativen Gefühle aus. Jetzt wo ich euch dies erzähle, fällt mir auf, dass es auch einige Parallelen hier zu meiner „Caecilia-Darkata“-Reihe gibt. Das ist also offensichtlich ein Thema, das mich schon lange beschäftigt.
Wir bauen eine Mauer, verzichten auf das, was dahinterliegt, um dem zu entgehen, was uns von dort angreifen könnte. Ich verstehe, dass das manchmal notwendig ist. Es gibt Situationen, denen entkommt man nicht auf andere Weise. Das Schwierigste ist, die Mauer im Nachhinein niederzureißen, uns der Gefahr erneut auszusetzen.
Man sagt, dass es mutig und bewundernswert ist, wenn man nach einem Schlag, der einen zu Boden geworfen hat, wieder aufsteht. Aber ich kann nachvollziehen, dass einem irgendwann die Kraft fehlt, um wieder aufzustehen. Also baut man eine Mauer, um sich erholen zu können, Stärke zu sammeln. Und wenn man merkt, dass es einem hinter der Mauer gut geht, sieht man vielleicht keinen Grund, sie wieder einzureißen.
Und ich glaube, dass dies die meiste Überwindung kostet. Den ersten Schritt hinauszumachen. Das Risiko erneut auf sich zu nehmen. Sich zu trauen, sich wieder zu freuen. Hochzusteigen, obwohl man weiß, dass man erneut fallen könnte. Andererseits weiß man in diesem Fall schon, dass man fähig ist, wieder aufzustehen.
Wenn ich enttäuscht bin, ist mein erster Impuls nach Überwindung des ersten Frustrationsschubs immer, mich nicht mehr auf das nächste Event oder was auch immer freuen zu wollen. Ich versuche, der Zukunft neutral entgegenzugehen. Das ist absolut nicht leicht und vielleicht bin ich auch einfach keine gute Maurerin. Inzwischen bin ich aber froh darüber. Ich weiß, dass ich ein stures Herz habe, dass sich trotzdem freut, obwohl mein Verstand es ihm untersagt. Und zum Glück bin ich noch nicht oft genug gestürzt, um nicht mehr die Kraft zu finden, aufzustehen.
Für mich habe ich also begriffen: Es gibt keinen Weg an den Gefahren des Lebens vorbei. So erging es auch den Figuren in meinen Büchern. Keine Mauer kann dick genug sein, um alle Risiken auszusperren. Und der Mensch ist stark. Die Kunst ist nicht, sich möglichst geschickt hinter den Hindernissen zu verstecken. Die Kunst ist, sich trotzdem zu freuen. Mit einem Lächeln zu fallen. Tränen und Lachen müssen sich nicht bekämpfen. In manchen Fällen arbeiten sie Hand in Hand. Denn das Leben ist es wert, gelebt zu werden.
Mit diesen Worten wünsche ich euch einen schönen Wochenendabschluss und bis bald ;)

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