Der Fall
- chiarasue
- 13. März 2022
- 3 Min. Lesezeit
Hallo alle miteinander!
Wie geht es euch? Im Moment habe ich das Gefühl, dass der Frühling wohl tatsächlich angebrochen ist, obwohl es so kalt ist, dass sich meine Nase innerhalb von Sekunden, nachdem ich aus dem Haus getreten bin, in die Taubheit verabschiedet. Heute habe ich wieder einmal einen Text für euch. Was mich dazu inspiriert hat, ist ihm, glaube ich, ganz gut selbst zu entnehmen. Also bleibt mir nur noch, euch viel Vergnügen beim Lesen zu wünschen ;)
Der Fall
Sie bewegt sich schleichend gleich einer Schlange, die sich ihrer Beute nähert. Ihre Bewegungen werden von immerwährendem Mitleid gleich Gewichten verlangsamt. Es wirkt, als würde sie widerwillig agieren, als entspräche ihre Bestimmung nicht auch gleichzeitig ihrem Wunsch. Die Schultern werden von der Aufgabe, die ihr beschieden wurde, stets nach unten gedrückt.
Ihre Berührung lässt die Zeit anhalten. Für einen kurzen Moment. Einen kurzen Moment, in dem du dich fühlst, als hätte sich die Luft vor dir zu einer undurchdringbaren Mauer verdichtet. Dann öffnet sich in dir ein Graben, der die Freude in sich aufsaugt und das Glück hinunterdrängt gleich einem Raubvogel, bevor er sich wieder verschließt. Du willst die Wahrheit hinunterschlucken, doch deine Kehle hat sich verschlossen. In deinem Kopf entbricht ein Kampf, der dir wohl bekannt ist. Die Vernunft bäumt sich auf und nimmt sich der Rolle eines gutmütigen, aber entschlossenen Trösters an. „Das ist nicht so schlimm“, sagt sie. „Du hast gewusst, dass das passieren kann.“ Ihr Kontrahent, der Wille, begibt sich währenddessen auf eine unablässige Suche nach der Lösung, stets begleitet vom Konjunktiv. „Aber was, wenn…?“ Die Vernunft versucht den Abgrund hinter sich zu lassen, während der Wille ihn öffnen und die Freude wieder freilassen will. Seine stärkste Waffe ist die Hoffnung, die die Vernunft wie nichts auf der Welt fürchtet. Die Hoffnung ist riskant. Sie ist ein Balancehalten auf einem Garn, das von den Winden der Realität erschüttert wird. Sie ist eine Tochter des Trotzes, die den Blick nach unten nicht zulässt. Die Hoffnung ist zügellos und sie ist schnell. Jedes Mal entwischt sie den Argusaugen der Vernunft und schafft es zum Herzen, wo sie ein Feuer entzündet, das zum Verlöschen verdammt ist.
Der Wille ignoriert ihre Existenz, während sie sich immer weiter in den Kopf vorwagt und schlussendlich an die Gewissheit haftet. Mit einem dumpfen Schlag landet sie am Friedhof der Träume, dessen Neuzugang sich gleich einem Gewicht auf deine Brust legt.
Die Vernunft bedient sich einer ihrer bewertesten Strategien, der Ablenkung. Sie produziert Gedanken am laufenden Band, um das Gehirn auf Trab zu halten, deckt sich mit Arbeit zu und lässt den Tränen, die sich hinter den Augen verstecken, keinen Durchgang.
Ihre Umarmung lähmt dich, während ihre Mitspieler ihre Plätze einnehmen. Sie kennt dieses Prozedere in- und auswendig und scheint sich dennoch davor zu scheuen, ein neues Opfer in Angriff zu nehmen. Ihre Lider sind stets zu Boden gerichtet. Menschen, die zu oft von ihr besucht worden sind, entwickeln eine Resistenz gegen ihren bitteren Atem. Sie lassen den Abgrund zu-, lassen das Glück eingesperrt, um es nicht erneut zu verlieren. Sie weiß das. Sie weiß, dass sie manche Menschen für ewig verschließt. Doch was soll sie tun? Solange es Freude gibt, wird sie ebenfalls zur Stelle sein. Wir können uns ihr nicht erwehren. Und sie sich uns genauso wenig. Es bleibt uns nichts, als sie zu spüren, uns ihr zu überlassen und den Schlüssel zum Abgrund fest umklammert zu halten.
Und? Habt ihr eine Ahnung, wer sie ist? Wenn ja, schreibt es gerne in die Kommentare. Ich bin schon so gespannt, was ihr aus diesem Text herauslest! Ich habe natürlich eine gewisse Idee im Kopf gehabt, mit der ich dieses Portrait geschildert habe. Die Frage ist nun, ob dieser Gedankengang auch für andere nachvollziehbar ist oder ob ihr gewisse Dinge ganz anders empfindet.
Wie ich schon ein paar Mal erwähnt habe, hilft mir das Schreiben, wenn mich etwas sehr beschäftigt und nicht loslässt. Meine Sicht zu analysieren, ermöglicht es mir, einen klareren Blick auf die Situation zu werfen und somit auch, sie zu verarbeiten. Wenn ihr also einmal das Gefühl habt, etwas steckt in eurem Kopf fest und will nicht heraus, versucht doch einfach, es mit einem Stift herauszulocken :)
Jetzt wünsche ich noch einen schönen Tag und verabschiede mich bis nächste Woche!

Die Angst?