Die größte Angst liegt im Dunkeln
- chiarasue
- 12. Dez. 2021
- 4 Min. Lesezeit
Guten Morgen allerseits!
I am back! Na ja, eigentlich könnt ihr gar nicht genau wissen, ob ich wirklich ich bin. Letzte Woche war ich es nicht…aber heute wäre ich wieder da. Aber wie kann ich das beweisen? Gar nicht! Ist doch interessant, oder? Ihr bekommt jede Woche einen Blogbeitrag auf dem Silbertablett serviert und genießt ihn im Glauben, dass ich als brillante Köchin dahinterstecke. Genauso gut könnte ich allerdings einen Ghostwriter engagiert haben, der für mich die Arbeit übernimmt (, wenn ich das Geld dazu hätte, was nicht der Fall ist, aber ich meine ja nur, rein theoretisch…). Also beschäftigen wir uns heute mit diesem faszinierenden Phänomen, das jedem Menschen Angst einjagt, ohne im Vordergrund unserer Befürchtungen zu stehen. Dem Phänomen, das immer da ist, das wir aber nicht wahrnehmen, weil es schlicht und einfach nicht zu sehen ist. Meine Damen und Herren, ich präsentiere das heutige Thema: Unwissenheit!
Ich weiß, dass ich nichts weiß.
Diese Weisheit entstammt dem grandiosen Philosophen der Antike Sokrates. Vermutlich kennen sie einige von euch oder haben zumindest schon einmal davon gehört. Diese Aussage kann man nun natürlich verschieden interpretieren. Ich möchte auf einen ganz bestimmten Aspekt davon eingehen: nämlich, dass der Mensch immer alles unter Kontrolle haben will. Er will immer alles wissen, weil ihm dieses Wissen die Illusion schenkt, auch Macht darüber zu haben, was allerdings nicht der Fall ist. Es gibt in diesem Universum einfach so viel zu wissen, dass es unmöglich ist, alles zu wissen. So viel Speicherplatz bietet kein Gehirn und kein Computer der Welt. Und es kostet Überwindung, dies einzugestehen. Schon in der Schule hatte ich den größten Respekt vor den Lehrern, die einfach gestanden haben, dass sie die Antwort auf eine Frage nicht kennen und nachschauen müssen, anstatt eine schwammige, unlogische Erklärung an den Haaren herbeizuziehen, die die Schüler nur noch weiter verwirrt. Es ist nämlich total in Ordnung, etwas nicht zu wissen. Jeder von uns weiß einiges nicht. Vermutlich weiß jeder von uns sogar mehr nicht als schon. Und selbst von dem, was wir wissen, können wir nicht behaupten, dass es stimmt.
Das einzige Mittel, den Irrtum zu vermeiden, ist die Unwissenheit.
Dieser Satz geht auf Jean-Jacques Rousseau zurück und bedeutet in meinen Augen genau das: Wir können uns nicht sicher sein. Nie. Wir können Thesen aufstellen und Argumente basteln, aber das, worauf wir diese Elemente stützen, ist ein Fundament, das wir nirgends verankern können. Genauso ist es in der Mathematik. Bevor das Prinzip der natürlichen Zahlen, Addition oder Multiplikation überhaupt erfunden haben werden können, hat man gewisse Dinge einfach definieren müssen. Das bedeutet, man hat sich ausgemacht, dass etwas so ist. Man hat sich ein System gebaut, mit dessen Hilfe man seine Umwelt beschreiben wollte und heute basieren alle Naturwissenschaften auf diesen Pfeilern, die irgendjemand einfach in die Erde geschlagen hat mit der Behauptung, dass sie wahr sind. Was aber, wenn das gar nicht der Fall ist? Wenn nach der 2 gar keine 3 kommt, sondern etwas ganz anderes? Für uns ist das kaum zu verstehen, weil unser Gehirn schon seit unserer Geburt mit diesem System arbeitet und sich nichts anderes vorstellen kann. Und genau ebenjener Drang, Erklärungen für die Natur zu finden, sie zu verstehen, zeigt die Angst des Menschen vor der Unwissenheit in all ihrer Klarheit. Der Mensch strebt seit seiner Geburt an nach Wissen. Wissen, das es womöglich gar nicht gibt…?
Man muss schon etwas wissen, um verbergen zu können, dass man nichts weiß.
Marie von Ebner-Eschenbach hat diese Aussage getätigt und zeigt dadurch den Hang des Menschen zur Täuschung. Denn wenn man etwas weiß, dann will man das auch nutzen, wozu hätte man es denn sonst herausgefunden? Und da viel wissende Menschen in unserer Gesellschaft grundsätzlich respektvoll behandelt werden, erscheint es auch nachvollziehbar, dass man immer mehr wissen will. Doch wie wir bereits festgestellt haben, ist die Speicherkapazität eines Gehirns begrenzt und somit ist es viel einfacher, zu behaupten, man wüsste etwas, wovon das Gegenüber ohnehin keine Ahnung hat, als sich tatsächlich hinter Büchern zu verschanzen. Man bastelt sich also sein eigenes Wissen. In gewisser Weise wäre das ja sogar legitim, wenn wir daran denken, dass man sowieso nichts mit Sicherheit wissen kann. Wenn man also wissen für sich selbst neu definiert, kann man quasi alles wissen. Die Frage ist, wo uns das Ganze hinführt und die möglichen Antworten behagen mir nicht sonderlich. Wie ich bereits erwähnt habe, ist es mir lieber, jemand gibt zu, keine Ahnung von etwas zu haben, als Wissen vorzutäuschen, und dadurch Chaos zu stiften.
Der Unwissende hat Mut, der Wissende hat Angst.
Alberto Moravia haben wir diese Weisheit zu verdanken. Denn Wissen ist ein zweischneidiges Schwert. Um jeden Preis wollen wir es erlangen, doch oft wünschen wir uns im Nachhinein, es wäre uns verwehrt geblieben. Wir bekämpfen die Unwissenheit, weil das Unbekannte eine größere Gefahr darstellt als das Bekannte. Zumindest hoffen wir das. Das ist natürlich. Menschen haben Angst vor den Schatten. Sie wollen Licht. Doch wenn sie das Monster in all seiner Pracht dann sehen können, wünschen viele die Dunkelheit zurück. Denn Probleme sind etwas, das man gerne ignoriert, sobald man es kennt. Und am leichtesten lässt sich ignorieren, wenn man von etwas gar nicht weiß. Es ist ein Paradoxon. Ein ewiger Kreislauf aus Augen öffnen und schließen. Und obwohl wir genau wissen, dass Wissen gefährlich ist, hören wir trotzdem nicht auf, es zu suchen. Man könnte beinahe sagen, der Mensch lernt nicht dazu. Jeden Tag steht er wieder auf und haut sich dabei den Kopf an der viel zu niedrigen Zimmerdecke an. Die Neugierde ist ein kleiner Teufel, aber ein Teufel, ohne den unsere Leben doch auch ziemlich langweilig wären, oder?
Wissen oder nicht wissen, das ist hier die Frage. So, das waren meine Gedanken zu diesem Thema. Ich hoffe, ich habe euch nicht zu sehr verwirrt. Was denkt ihr zu Wissen? Seid ihr eher wissbegierig oder unwissend zufrieden? Ich muss mich da wohl in ersterer Linie anstellen….Na ja, ich bin an niedrige Zimmerdecken gewöhnt. In diesem Sinne wünsche ich euch noch einen schönen Sonntag und bis nächste Woche!

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