Eine wahrhaft magische Wanderung
- chiarasue
- 16. Apr. 2023
- 5 Min. Lesezeit
Hallo ihr Lieben!
Wie geht es euch? Hattet ihr trotz etwas verregnetem Himmel ein nettes Osterfest? Ich durfte eine sehr besondere Woche erleben. Zusammen mit meiner Mama bin ich den Johannesweg gegangen. Das ist ein Wanderweg im Mühlviertel, den man auf drei oder vier Tagesetappen meistern kann. Dabei trifft man immer wieder auf Stationen, die einen mit einem weisen Spruch und oft auch mit einer wunderschönen Aussicht belohnen. Unsere Aussichten waren großteils zwar sehr neblig, was aber nicht heißt, dass sie nicht schön waren. In diesem Beitrag würde ich euch gerne ein bisschen an der Erfahrung teilhaben lassen und darüber sprechen, was ich gelernt habe oder zumindest glaube, gelernt zu haben.
Zuerst vielleicht ein paar Fakten zum Johannesweg grundsätzlich. Eine essentielle Information ist definitiv, dass es nicht der Jakobsweg ist. (Verwechslungsgefahr!) Der Jakobsweg dauert weit mehr als drei Tage, führt quer durch Europa und endet in Spanien. Der Johannesweg ist wie gesagt ein Rundweg im Mühlviertel und hat, was auch mich überrascht hat, keine religiöse Basis. Er ist nach einem Arzt benannt, der diesen Weg initiiert hat, um den Menschen Zeit zu schenken, dem Stress des Alltags zu entfliehen. Soweit so gut. Der Weg wurde dann erarbeitet, 2012 eröffnet und erfreut sich großer Beliebtheit.
Das Pilgern hat den Nebeneffekt, dass man sich, ob man will oder nicht, in dieser Zeit sehr intensiv mit sich selbst beschäftigt. Körperlich und psychisch. Zum einen kommt man natürlich an seine körperlichen Grenzen – also ich zumindest auf jeden Fall. So meditativ es auch ist, den ganzen Tag zu gehen, die Kilometer lassen die Füße nicht unberührt. Ich will euch nicht verheimlichen, dass ich mit der Distanz zu kämpfen hatte. Vor allem mein Knie wollte leider nach dem zweiten Tag nicht mehr so richtig mitspielen. Allerdings bin ich ja sehr ehrgeizig und aufgeben war nie eine Option. Also habe ich die Zähne zusammengebissen und weitergemacht (und vielleicht eine Schmerztablette geschluckt). Die Schmerzen bewirken aber, dass man sich voll und ganz auf die Gegenwart konzentriert, indem sie keinen Platz für Sorgen lassen, weil der Moment eben gerade wichtiger ist. Außerdem war es für mich äußerst faszinierend zu sehen, wie viel der Körper leisten kann. Auch wenn ich am Abend mit der festen Überzeugung ins Bett gefallen bin, am nächsten Tag keinen Schritt tun zu können, ohne zusammenzuklappen, habe ich es dennoch geschafft, motiviert in den Morgen zu starten. (Hier sollte man hinzufügen, dass das Frühstück in den Unterkünften wirklich immer sehr lecker war und garantiert seinen Beitrag dazu geleistet hat.)
Dann verbringt man natürlich trotzdem viel Zeit mit Denken. Dabei reflektiert man viel über sich selbst und die eigenen Einstellungen, was sicherlich nie ein Fehler ist. Mir hat die Wanderung einmal wieder in voller Klarheit vor Augen geführt, dass die Perspektive eine Situation um hundertachtzig Graden drehen kann. Es steht und fällt alles mit der eigenen Haltung gegenüber den Dingen. Im Vorhinein haben wir sogar überlegt, die Wanderung abzusagen, weil das Wetter wirklich nicht berauschend gemeldet wurde. An jedem Tag Regen, Kälte und Nässe. Wir haben uns dennoch dafür entschieden, das Abenteuer zu wagen und im Notfall eben abzubrechen. Am ersten Tag sind wir gleich mit Regenausrüstung im Nieselregen gestartet. Hin und wieder ist auch starker Wind aufgekommen, doch dank der Vorhersage waren wir vorbereitet und sind nicht allzu nass geworden. Erst 50 Meter von unserer ersten Bleibe entfernt hat es wirklich zu schütten begonnen und wir wurden komplett durchnässt. Der nette Wirt hat uns allerdings die feuchten Mäntel und Schuhe in den Heizraum gestellt, weswegen wir am nächsten Tag, der entgegen aller Prognosen sogar trocken und hin und wieder von Sonnenschein begleitet war, motiviert starten konnten. Am dritten Tag hat es dann wieder manchmal geregnet, aber nie wirklich stark. Die größte Herausforderung hat uns am vierten Tag erwartet. Ich bin aufgewacht und meine Mutter sagte: „Chiara, draußen ist es weiß.“
Tatsächlich hatte es in der Nacht geschneit. Wir sind trotzdem munter losgestapft und auch wenn ich nach einer Stunde in den Schuhen geschwommen bin, konnte ich nicht umhin, das unerwartete Winterwunderland zu genießen. Dicke Flocken sind vom Himmel gefallen und haben die Landschaft in einen Zauberwald verwandelt. Natürlich ist es mit der Zeit anstrengend und kalt geworden. Es gab auch richtig schwierige Stellen, an denen wir mehr durch die Mischung aus Schnee und Matsch gerutscht als gegangen sind, doch im Endeffekt haben wir es wohlbehalten ans Ziel geschafft.

Die große Frage ist nun: Wieso haben wir nicht aufgehört? Zu unserem Durchhaltevermögen hat sicherlich unser Ehrgeiz beigesteuert, aber auch die Tatsache, dass wir beide immer das Positive am Wetter gesehen haben. Durch den Regen waren wir allein am Wanderweg. Wir haben ein einziges Mal andere Wanderer getroffen, die allerdings in die andere Richtung unterwegs waren. Wir hatten all die schönen Plätze und gemütlichen Jausenstationen für uns alleine. Gleichzeitig war uns nie zu heiß und unsere Regenausrüstung hat ihre Belastung erfolgreich unter Beweis gestellt. Wir hatten immer die Möglichkeit, unsere Sachen zu trocknen und durften sehr offene und persönliche Gespräche mit den Wirtsleuten führen, da die außer uns eigentlich nie Gäste hatten.

Hinzu kommt, dass sich meine Mutter und ich beide unglaublich auf den Ausflug gefreut haben und wir uns diese Freude vom Wetter nicht nehmen lassen wollten. Darauf, dass uns das gelungen ist, bin ich sehr stolz. Ich werde diese Wanderung als sehr mystisch und verzaubernd in Erinnerung behalten. Die großen, mit Moos bewachsenen Granitfelsen, die das Mühlviertel säumen, haben uns an schlafende Trolle erinnert. Die Nebelschwaden, die über die Ruine gezogen sind, haben den mächtigen Eindruck nur verstärkt. Die wenigen Sonnenstrahlen, die uns ins Gesicht geschienen sind, haben wir umso mehr zu schätzen gewusst. Wir sind an vielen Orten vorbeigekommen, die meine Phantasie beflügelt haben und die mir wieder vor Augen geführt haben, was ich so sehr am Schreiben liebe: Geschichten zu erzählen. Geschichten, die wie von selbst in meinem Kopf auftauchen, wenn ich solche verzauberten Berge besteige oder mich am Rand eines Flusses durch tiefhängende Äste ducke.

Abschließend kann ich nur betonen, dass ich die vergangene Woche sehr genossen habe. Der krönende Abschluss des Johanneswegs war dann noch ein kurzer Besuch bei unseren Verwandten, wo wir von unseren Abenteuern berichten und eine schöne Zeit verbringen konnten. Ich kann allen unter euch den Johannesweg zum Abschalten und sich Verzaubern lassen nur empfehlen, möchte aber betonen, dass man die körperliche Anstrengung nicht unterschätzen sollte. Auf jeden Fall bin ich meiner Mutter sehr dankbar, dass sie mich mit auf diese Wanderung genommen und mir die Magie des Mühlviertels nähergebracht hat.
Ich hoffe, dass auch ihr eine schöne Woche hinter euch habt und wünsche euch alles Gute für die neue! Wart auch ihr schon einmal pilgern? Was ist euch besonders in Erinnerung geblieben? Ich bin gespannt auf eure Erfahrungen. Ganz herzliche Grüße und bis bald!

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