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Picknick im Mondschein

  • Autorenbild: chiarasue
    chiarasue
  • 6. Feb. 2022
  • 5 Min. Lesezeit

Hallihallo!

Ratet, wer zurück ist! Genau! Meine Wenigkeit! Ich habe am Donnerstag zum letzten Mal vorm Bildschirm gezittert und meine letzte Prüfung im Februar abgelegt. Nun habe ich frei und im Kopf wieder Platz für alles, was ich euch noch erzählen möchte. Heute starten wir aber mit einer Geschichte. Und ich will euch gar nicht zu viel darüber verraten, sonst verderbe ich noch den ganzen Effekt. Also…los geht’s!


Picknick im Mondschein


Unsere Hauptperson heißt Tanja. Tanja ist eine junge Frau mit schönen voluminösen Haaren und allzeit blitzenden Augen. Sie wohnt in einer kleinen, aber feinen Wohnung am Rand einer netten Stadt, die man wohl eher als Städtchen bezeichnen würde.

Tanja liebt ihren Job. Sie steht jeden Morgen mit einem Lächeln im Gesicht auf, weil sie weiß, dass sie heute wieder einen sinnvollen Beitrag leisten und dabei gleichzeitig auch noch Geld verdienen kann. Außerdem trifft sie ihre beste Freundin auf der Arbeit, Sarah. Die beiden kennen sich schon seit der Schulzeit und sind schon jeher unzertrennlich. Sie verstehen sich ohne Worte, als würden sie haargenau dieselben Gedanken denken.

Plötzlich klopft es an der Tür. Überrascht schaut Tanja auf. Sie hat vorgehabt, sich jetzt einen gemütlichen Abend vor dem Fernseher zu machen und erwartet eigentlich niemanden. Neugierig geht sie zur Tür und öffnet.

Grinsend blickt ihr Manuel, ihr Freund, im Smoking entgegen. Entschlossen hält er ihr eine einzelne rote Rose unter die Nase und flüstert leise: „Na, Lust auf Pizza?“ Hinter seinem Rücken zieht er schwungvoll zwei Pizzakartons hervor, aus denen es unwiderstehlich duftet. Tanja lacht. „Ich zieh mir nur noch schnell etwas anderes an.“

„Geht in Ordnung, aber beeil dich, die Pizza wird sonst kalt“, erinnert sie Manuel und deutet mit einem Finger Richtung Decke. „Ich warte oben auf dich.“

„Oben?“, fragt Tanja verwirrt.

„Oben“, bestätigt Manuel nur geheimnisvoll und bevor sie nachhaken kann, ist er schon wieder verschwunden.

Kopfschüttelnd schlüpft Tanja in eines ihrer hübscheren Kleider und schminkt sich schnell. Allerdings zieht sie die Neugier unerbittlich nach oben, weshalb sie beschließt, auf den Lippenstift zu verzichten und gleich nachzusehen, was Manuel treibt. Sie schnappt sich noch ihre Jacke vom Haken und steigt die Treppen hinauf.

Tanja wohnt im obersten Stock. Es geht also nicht viel weiter hinauf als bis zur Tür, die aufs Dach führt. Als sie diese vorsichtig öffnet, bleibt ihr der Atem weg. Unter dem klaren Sternenhimmel hat Manuel eine Picknickdecke ausgebreitet, auf der neben den Pizzakartons auch zahlreiche, strahlende Kerzen platziert sind. Leise dringt Klaviermusik aus einem Lautsprecher. Vor Freude legt Tanja die Hände über den Mund. Manuel steht vor ihr und grinst.

In diesem Moment ist Tanja rundum glücklich. Die beiden verspeisen die köstliche Pizza, während Manuel lustige Geschichten aus seinem Arbeitsalltag erzählt. Danach tanzen sie eine Weile. Als die letzten Kerzen schließlich heruntergebrannt sind, bietet Manuel Tanja seine Jacke an und nachdem sie noch einmal den Sternenhimmel ausgiebig betrachtet haben, machen sie sich wieder auf den Weg in die Wohnung.

Am nächsten Morgen erzählt Tanja Sarah sofort alles in der Arbeit. Diese lächelt verträumt und freut sich über Tanjas Glück. Kichernd widmen sie sich wieder ihren Aufgaben.

Doch Tanja kann sich nicht richtig konzentrieren. Mit einem nicht verschwinden wollenden Lächeln im Gesicht denkt sie immerzu daran, wie schön sie es nicht hat.

Neben ihr sitzt ihre beste Freundin, mit der sie tagtäglich Zeit verbringen kann. Sie kann ihr alles anvertrauen und bekommt immer eine ehrliche Antwort zurück. Sie muss nicht darüber nachdenken, ob es angemessen ist, in einer gewissen Situation etwas zu sagen. Sie tut es einfach und weiß, dass Sarah sie dafür nicht verurteilen wird.

Und dann Manuel. Ein Freund, der ihr immer wieder vor Augen führt, wie sehr er sie liebt und wie wichtig sie ihm ist. Und noch dazu so gutaussehend. Ein Gentleman und gleichzeitig jemand, der weiß, was er will. Ein Freund, der ihr wahrhaftig jeden Wunsch erfüllt, auf ihre Bedürfnisse Rücksicht nimmt und alles tut, um Tanja glücklich zu machen.

Einfach perfekt.


Oder?



Jetzt bin ich aber gespannt. Wie hat euch die Geschichte gefallen? Ich gebe euch ein paar Zeilen Zeit zum Nachdenken, bis ich meine Meinung offenlegen werde.





Also ich finde die Geschichte furchtbar. Kitschig und langweilig. Unrealistisch. Wisst ihr, was nämlich wirklich der Fall wäre? Tanja wäre nicht glücklich. Irgendetwas würde sie finden, was ihr nicht passt. Vielleicht ist ihr Manuels Ego eine Spur zu groß oder er fixiert sich zu viel auf sie. In der Realität wäre Sarah außerdem bodenlos eifersüchtig und würde das Tanja auch spüren lassen. Das Leben kann nicht so objektiv perfekt sein. Tut mir leid, euch da enttäuschen zu müssen.


Und wisst ihr, was das Vertrackte ist? Tagtäglich bekommen wir diese perfekten Welten vorgeführt. Nicht so offensichtlich wie hier, sondern so geschickt versteckt, dass wir es nicht bemerken. Wir denken, es gibt diese perfekte beste Freundin, die uns in Romanen, in Filmen und auf Social Media begegnet. Wir denken, unseren Traummann haben wir nur noch nicht gefunden, aber wenn das alle anderen können, können wir das auch. Irgendwo wartet ein Mann (oder eine Frau) auf uns, die zu uns passen wie der Deckel auf seinen Topf. Das Problem ist, dass wir nie die Fehler vor Augen geführt bekommen, sondern immer nur die guten Seiten. Natürlich posten Influencer keine Stories, in denen sie und ihr Partner sich gegenseitig in Grund und Boden schreien. Genauso wenig wird die Nachbarin ihre Beziehungskonflikte vor einem ausschütten. Oder Freundinnen sich bedingungslos freuen, wenn man ständig auf sich selbst fokussiert ist. Was wir deshalb nicht vergessen dürfen: Im Internet, zwischen Buchseiten und auf der Leinwand sehen wir immer eine Geschichte, die sich jemand so ausgedacht hat. Wir sehen ein Fantasieprodukt. Oder aber einen winzigen, gefilterten Ausschnitt aus dem Leben einer fremden Person, der aber ebenso choreografiert sein könnte.


In Romanen und Filmen gibt es diese perfekten Freundschaften, Heime, Jobs und Beziehungen. Die Geschichte dreht sich nun einmal um eine Figur und die anderen sind dabei Nebensache. So ist das. Und dabei bekommt man den Eindruck, es gibt diese Menschen, die einen selbst immer auf die oberste Treppenstufe stellen und sich selbst zurücknehmen. Das stimmt aber nicht. Jeder steht nämlich im Mittelpunkt der eigenen Geschichte.

Wir sind alle Hauptpersonen. Und auf der Welt ist nicht genug Platz für all diese Figuren, die sich selbst immer nur im Fokus sehen.


Das soll natürlich kein Vorwurf sein. Ich bin da ja nicht anders. Wir sehen die Welt nun mal aus unseren eigenen Augen. Wir selbst sind die Hauptperson für uns. Dabei vergessen wir leider nur manchmal, dass wir das nicht im Leben aller sind.

Also möchte ich euch für heute mitgeben: Hört auf, das perfekte Leben zu suchen und fangt an, es zu leben. Es wird vielleicht nie so werden, wie ihr euch das ausmalt, aber es liegt an euch, das, was ihr bekommt, perfekt zu machen, indem ihr eure Aufmerksamkeit auf das Schöne legt.


Ihr müsst nicht an euren Freundschaften, euren PartnerInnen oder eurem Lebensstil zweifeln, nur weil ihr den Eindruck bekommt, dass es überall besser funktioniert. Dieser Eindruck täuscht nämlich oft. Jedes Leben hat seine Ecken und Kanten und das ist gut so. Die darf es auch behalten, denn ohne wäre es vermutlich viel zu langweilig. Habt ihr euch schon mal darüber Gedanken gemacht, was die Prinzessin und der Prinz machen, nachdem sie den Drachen besiegt und geheiratet haben? Glücklich und zufrieden bis an ihr Lebensende? Wohl eher nicht. Die haben genauso Probleme, von denen wir nur nichts erfahren, weil das Buch beim Happy End aufhört. Oft ist das Happy End aber gar kein End, sondern nur der letzte Ausschnitt, der geteilt wird. Wie's weitergeht, bleibt eurer Phantasie überlassen...


Das war eine wichtige Erkenntnis, die ich erst vor wenigen Tage hatte. Ich bin also selbst noch weit davon entfernt, das alles umsetzen zu können, aber es hilft schon mal, den Gedanken einmal gedacht zu haben, glaubt mir.


Jetzt wünsche ich euch noch einen wunderschönen Sonntag und wir hören uns nächste Woche! Adiós!




 
 
 

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