Wenn du nicht dir gehörst
- chiarasue
- 20. Feb. 2022
- 4 Min. Lesezeit
Hallo und einen guten Morgen wünsch ich euch!
Heute gibt’s für euch wieder einmal einen Text von mir. Ich habe ihn vor ein paar Tagen erst geschrieben und bin schon ganz gespannt, was ihr davon haltet. Also bleibt mir nur noch, euch viel Vergnügen beim Lesen zu wünschen!
Wenn du nicht dir gehörst
Wenn dein Leben ein Gefängnis ist, dessen Schlüssel nicht in deiner Reichweite hängt. Wenn jeder deiner Atemzüge nichts weiter ist als das Brummen einer Maschine. Wenn der einzige Sinn deiner Schritte ist, einem Plan zu folgen, dessen Richtung du nicht festgelegt hast.
Stell dir vor, jedes deiner Worte ist wie das Summen einer Fliege. Bedeutungslos. Überhört. Nervig, im besten Fall. Stell dir vor, nicht nur niemand weiß, wie es dir geht. Es interessiert auch niemanden. Du bist nur ein Zahnrad. Augen richten sich lediglich auf dich, wenn du hakst, wenn du nicht mehr funktionierst. Ein verärgertes Schnauben, zwei schnelle Handgriffe und schon bist du ersetzt. Aber was passiert mit dir? Du kommst dort hin, wo kaputte Teil eben landen: der Schrottplatz. Womöglich bekommt dein Herr auch noch etwas Geld für dich. Kommt auf die Größe an.
Du lebst von Sekunde zu Sekunde. Deine Tage richten sich nach dem festgelegten Plan. Du lebst in einer starren Ordnung, die unter keinen Umständen durchbrochen werden darf. Doch du ärgerst dich nicht, denn du kennst nichts anderes. Es ist natürlich, dass dich deine Geburt zu diesem Dasein verdammt hat. Du wurdest geboren und nimmst nun deinen Platz im Gefüge der Gesellschaft ein, bis sie dich verbraucht hat und bis zu den Knochen geschunden wieder ausspuckt.
Und jetzt stell dir vor, du hörst eines Tages von einem Gerücht. Jemand erzählt dir von einem, der war wie du. Der aufgestanden ist, der seine Fesseln gelöst hat. Der die Maschine hinter sich zusammenbrechend zurückgelassen hat. Der geschworen hat, sich nie wieder in Ketten legen zu lassen. Du realisierst plötzlich, dass es möglich ist. Dass das System, das eure Schlüssel überwacht, nur aus Menschen besteht. Keine Götter halten dein Schicksal in der Hand. Es ist lediglich eine Hierarchie, die vor Jahrhunderten festgelegt wurde. Eine Treppe, deren Stufen unüberwindbar schienen. Bis jetzt.
Und du fragst dich, was du tun könntest. Die Vorstellung von einem Leben außerhalb der Mauern deiner Existenz ist zu phantastisch, um wahr zu sein. Was soll es da schon geben? Du bekommst Angst. Ein Leben ohne Regeln. Ein Leben ohne Plan. Ein freies Leben. Nichts, woran man sich halten kann. Keine Herren, die den Weg vorgeben.
Wie es wohl wäre, eine Entscheidung zu treffen? Eine Richtung aus eigenem Willen einzuschlagen? Eine Meinung, eine Stimme zu haben? Worten Bedeutung zu verleihen? Doch dazu bist du nicht geboren. Du bist geboren, um zu arbeiten, deine Hände zu benutzen, die Erde zu durchwühlen. Das ist, was du kannst. Woher willst du denn wissen, was für dein Leben richtig wäre?
Wie lernt man, Herr über ein Leben zu werden, das einem nie gehört hat? Wie lernt man, Verantwortung für sich und seine Entscheidungen zu übernehmen, wenn keine der eigenen Handlungen je Wert hatte? Wie lernt man, aufrecht zu gehen, wenn der Kopf seit der Geburt gebeugt wurde? Wie lernt man, frei zu sein?
Und? Habt ihr eine Idee, was mich zu diesem Text inspiriert haben könnte? Vielleicht habt ihr ihn ja auch ganz anders interpretiert, als meine Gedanken dazu gewesen wären… Aber um euch einige davon mit auf den Weg zu geben, erzähle ich euch, woran ich gedacht habe. Und zwar lerne ich momentan wieder für eine Prüfung, die im März noch auf mich wartet. Ein Teil des Themengebiets betrifft einen der schrecklichsten Bereiche der menschlichen Geschichte: Sklaverei.
Für eine sehr lange Zeitspanne hielten sich die oberen Schichten der Gesellschaft Sklaven, die verschiedenste Arbeiten verrichten mussten. Sie waren Eigentum ihrer Herren und hatten quasi keine Rechte. Natürlich variiert der Umgang und die soziale Stellung der Sklaven von Epoche zu Epoche, Land zu Land und Haushalt zu Haushalt. Für die Prüfung habe ich allerdings eine Serie angefangen, in deren Verlauf sich die Sklaven zusammenschließen und aufbegehren. Dabei sind viele aber auch überfordert, weil sie logischerweise nichts anderes kennen, als ganz unten in der Hierarchie zu stehen. Es muss extrem verwirrend sein, auf einmal keine Herren mehr zu haben. Natürlich ist es gut, dass sich die Sklaven von ihren Fesseln befreien konnten. Allerdings wäre es sicher auch interessant zu wissen, wie sich die Leute damals wirklich gefühlt haben. Wie ist das, wenn man befreit wird? Wenn man eine Freiheit bekommt, die unerreichbar war?
Selbstverständlich hat sich die Gesellschaft damals nicht von heute auf morgen verändert und plötzlich war alles Friede-Freude-Eierkuchen, aber es war definitiv ein wichtiger Schritt in der Geschichte der Menschheit. Ein Schritt, der noch immer nicht abgeschlossen ist. Auch wenn Sklaverei heute verboten ist, gibt es immer noch Menschen, die in sklavenartigen Verhältnissen leben und arbeiten müssen. Gleichzeitig habe ich den Eindruck, dass sich manche Leute immer weiter selbst versklaven, indem sie sich von gewissen Einflüssen abhängig machen, aber das wäre schon wieder eine andere Geschichte.
Ich hoffe, ich konnte euch mit diesem Beitrag zum Nachdenken anregen oder der Text hat euch zumindest gefallen. Ich wünsche euch eine schöne Woche und wir hören uns demnächst!

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