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Zielloses Suchen oder blindes Finden?

  • Autorenbild: chiarasue
    chiarasue
  • 25. Apr. 2021
  • 4 Min. Lesezeit

Wer kennt sie nicht?


Die perfekte Beziehung.


Überall scheint man auf sie zu treffen: in Büchern, in Filmen, in Geschichten, in den Sozialen Medien und vielleicht sogar bei Freunden. Überall, nur nicht im eigenen Leben. Woran das wohl liegen mag? Gibt es sie etwa nicht? Dieses harmonische Zusammensein, diesen einen Partner bzw. Partnerin, die einen alle Sorgen vergessen lässt? Dieser Kuss, der einem ein Leben lang im Gedächtnis bleiben wird? Und zwar nicht, weil er besonders schlabberig und eklig war, sondern wunderschön romantisch, so dass jede einzelne Zelle im Körper geprickelt hat und vor Freude beinahe in Ohnmacht gefallen wäre?


Schnallt euch warm an da draußen, denn heute gehen wir auf eine Expedition. Wir suchen sie, jawohl. Die Liebe. Und zwar keine alltägliche Bussiliebe oder eine langweilige Eheliebe, nein nein. Wir suchen die Liebe, die uns scheinbar immer entgeht. Die wilde, stürmische und gleichzeitig sanfte und liebevolle Liebe, die uns einen wohligen Schauer über den Rücken laufen lässt. Wir suchen denjenigen oder diejenige, die zu uns passt wie Rose zu Jack…(obwohl man eingestehen muss, dass die beiden definitiv nicht genug Zeit zusammen hatten, um herauszufinden, ob ihre frisch entdeckte Zuneigung zueinander nicht schon beim nächsten gemeinsamen Abendessen an den mangelnden Kochkünsten der beiden zerbrochen wäre…na gut, so war es halt der Mangel an der Fähigkeit, auf eine dämliche Tür zu klettern.)


Wo sollen wir also beginnen mit unserer Suche? In den meisten Romanen begegnet die Hauptperson dem späteren Geliebten ja ziemlich plötzlich und vor allem unerwartet. Es würde dem Lesen ja auch etwas Charme absprechen, wenn jeder beim Zähneputzen in der Früh schon wüsste, dass man heute der Liebe seines Lebens begegnete. Dann würde man zumindest gründlich putzen, um jeglichen Mundgeruch zu vermeiden, aber aus meiner Sicht überwiegt in diesem Fall der Überraschungseffekt bei Weitem. Sonst würde man vielleicht noch vor lauter Nervosität kein Wort herausbringen und die Liebe würde scheitern, bevor sie begonnen hätte.


Jetzt ist mir gerade ein neuer Gedanke gekommen. Stellt euch vor, jeder wüsste in dem exakten Moment, in dem er seinen zukünftigen Partner/in trifft, dass er/sie ebenjene/n eines Tages heiraten wird. Wie viele von uns würden wohl schreiend flüchten oder sich erst einmal ein Glas scharfen Schnaps hinunterkippen, um diese Nachricht verdauen zu können?


In manchen Büchern ist es nämlich tatsächlich so, dass der ehemalige beste Freund zum neuen Liebespartner wird. Eine Person, von der man das vielleicht nie gedacht oder es sich womöglich sogar schon ewig gewünscht hat…


Na ja, wie auch immer: Im Endeffekt begegnen sich also die beiden Turteltauben und verlieben sich trotz aller offensichtlicher Ungereimtheiten und Schwierigkeiten, die ihre Beziehung mit sich bringen wird. (Davon gibt es natürlich immer zuhauf, ansonsten wäre das Ganze ja viiiiiel zu einfach.) Im Optimalfall können diese allerdings alle überwunden werden. Im Semimalfall stirbt die halbe Familie und das Traumpaar gleich hinterher (siehe Shakespeare). Im Pessimalfall trifft im Anschluss ein Meteor die Erde und die eigene Spezies wird ausgelöscht. Dieses Schicksal mussten jedoch bis jetzt nur ein paar bemitleidenswerte Dinosaurierpärchen erleben.


Das wirklich Beneidenswerte dieser perfekten Beziehungen, die uns unsere Abendlektüre täglich vor Augen führt, ist allerdings diese feine Linie zwischen zartem Necken und unerbittlichem Zusammenhalt. Dieses Gefühl von „Ich würde alles für dich tun“ bis hin zu „Egal, was passiert, ich bleibe bei dir“. Dieses Gefühl, das junge und alte Mädchenherzen zum schneller Schlagen bringt und sie langsam dahinschmelzen lässt.


Gegen diese starken, mutigen Typen hat die Realität leider wenig Chancen. Wer kann schon mit einem Romanhelden mithalten? Ich fürchte, dass unsere Suche erfolglos zu Ende gehen wird. Man (oder besser gesagt Frau) tendiert nämlich gerne dazu zu vergessen, dass hinter diesen Geschichten und zauberhaften Momenten ein Mensch vor dem Laptop sitzt, dessen Fantasie mit ihm ein Stückchen zu weit von der Realität abgerutscht ist. Diese Helden existieren leider nur in unseren Köpfen und werden zwecks der Wunschträume aller Leser/innen makellos (oder perfekt makelvoll) so gestaltet, dass wir nachts seufzend in unsere Kissen sinken und uns fragen, warum unsere Partner/innen uns noch nie vor einem feuerspeienden Drachen gerettet oder uns zumindest spontan auf einen Urlaub nach Tenerifa entführt haben.


Es ist nicht verboten zu träumen, aber es ist tatsächlich irgendwie unfair die realen Partner/innen nach Romanmaßstäben zu messen. Umgekehrt funktioniert das ja auch nicht oder kann sich jemand von euch Iron Man beim Waschmaschine-Ausräumen oder Staubsaugen vorstellen? Also ich nicht. Vielleicht sollten wir also schätzen, was wir haben: zwar keine Löwenbezwinger, Superagenten und Rettungsschwimmerdetektive, aber dafür Im-Bett-Zudecker, Pizzaspendierer und manchmal sogar Abwaschdenker. Und manchmal braucht man auch nicht mehr. Die Bücher haben wir ja noch immer, um uns hin und wieder ein kleines Tagträumchen zu erlauben.


Und wenn du da draußen weiterhin auf der Suche bist, denk daran, dass du ein Prinz bzw. eine Prinzessin bist und gefälligst gefunden werden willst! (Ein winziges Blinzeln, um einmal die Lage abzuchecken, ist aber zwischen den hoheitsvollen Blicken durchaus erlaubt!) Und behalte im Hinterkopf, dass hinter einer perfekten Fassade ein ziemlich schäbiges Innenleben stecken kann (und umgekehrt). Man denke an den Glöckner von Notredame, der im Endeffekt aber doch nicht das Mädchen gekriegt hat…was zeigt, dass….was eigentlich gar nichts zeigt, sondern halt einfach so ist. Armer Quasimodo.


Wenn ich so darüber nachdenke, ist eine alltägliche Bussiliebe oder eine langweilige Eheliebe eigentlich weder alltäglich noch langweilig, wenn man sie nicht dazu werden lässt. Eigentlich bin ich zufrieden damit, nicht gegen superböse Superbösewichte kämpfen zu müssen, bevor ich mich am Abend zu meinem Freund kuschle. Und dafür, dass uns die Spannung nicht ausgeht, sorgt die Pandemie. Ganz schön praktisch.


Damit wünsch ich euch allen noch einen schönen Sonntag und wenn ihr jemanden dafür habt, gebt ihm/ihr ein ganz dickes Bussi in meinem Auftrag! (Und falls nicht, einfach euch selbst, das ist auch wichtig!!!)



 
 
 

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